Der Untertitel fasst die zentralen Themen zusammen: die großen Herausforderungen durch Flüchtlingszuwanderung in Schleswig-Holstein und Hamburg, unterschiedliche Bewältigungsstrategien, die Rolle der Kirche sowie langfristige soziale, politische und kirchliche Auswirkungen.
SHKH: Schleswig-Holstein - Kumulierte Heimatvertriebene(Tsd. )
HKH: Hamburg - Kumulierte Heimatvertriebene (Tsd.)
SHKD: Schleswig-Holstein - Kumulierte DPs(Tsd.)
HKD: Hamburg-Kumulierte DPs(Tsd.)
Die Bevölkerung Schleswig-Holsteins stieg zwischen 1939 und 1949 um rund 70 % – von 1,6 Millionen auf 2,7 Millionen. Neben Heimatvertriebenen befanden sich dort auch hunderttausende befreite KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter, Evakuierte aus zerbombten Städten und entlassene Wehrmachtssoldaten. Die britische Besatzungsmacht internierte zudem über eine Million deutsche Soldaten im ehemaligen Rückzugsgebiet der Wehrmacht.
Die Lebensbedingungen für die Flüchtlinge waren äußerst schlecht. Sie lebten in überfüllten Lagern, Kasernen oder Notquartieren ohne ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung und Heizmaterial. Arbeitsmöglichkeiten waren knapp, und die wirtschaftliche Lage blieb prekär. Diese schwierige Situation führte zu Spannungen zwischen Flüchtlingen und Einheimischen. Im Landesteil Schleswig schlossen sich viele Einheimische der dänischen Minderheit an, in der Hoffnung auf eine Anbindung an Dänemark, was sie sich als wirtschaftlichen Vorteil erhofften.
Die evangelische Kirche spielte eine zentrale Rolle bei der Integration der Flüchtlinge. Aufgrund der schlechten Situation der Flüchtlinge plante eine Gruppe 1952 einen Treck von Schleswig-Holstein nach Süddeutschland. Daraufhin reaktivierten die schleswig-holsteinischen Bischöfe Wester und Halfmann das evangelische Hilfswerk und organisierten eine geregelte Umsiedlung in andere Bundesländer. Auch kirchlich hatte die Zuwanderung Folgen: Der starke Zustrom evangelischer Flüchtlinge ließ die Mitgliederzahlen in Schleswig-Holstein steigen, während in Hamburg die Zahl der Kirchenmitglieder zunächst sank.
Hamburg ging anders mit der Flüchtlingsfrage um. Bis 1950 gab es strenge Zuzugsbeschränkungen. Nur Flüchtlinge mit dringend benötigten Berufen erhielten eine Aufenthaltserlaubnis. Dennoch kamen viele in die Stadt und wurden in Notunterkünften untergebracht. Inmitten der Ruinen standen sogenannte Nissenhütten, und zahlreiche Flüchtlinge lebten in Barackensiedlungen. Die Hamburger Kirche hatte mit dem Wiederaufbau zu kämpfen. Erst Mitte der 1950er Jahre kam es zu verstärkten Neugründungen von Kirchengemeinden.
Die Flüchtlingsfrage wurde in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft vor allem unter dem Aspekt des eigenen Leids betrachtet. Die Bundesregierung unter Konrad Adenauer nutzte das Thema, um die antikommunistische Haltung zu stärken und die Westintegration zu forcieren. In den 1960er Jahren kam es innerhalb der evangelischen Kirche zu heftigen Debatten über die Ostpolitik. Während einige Theologen für eine Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn plädierten, hielten andere an der Forderung nach einem Rückkehrrecht der Vertriebenen fest. 1965 veröffentlichte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die „Ostdenkschrift“, die eine Mitschuld Deutschlands am eigenen Schicksal anerkannte und zur Versöhnung aufrief – ein damals umstrittenes, aber wegweisendes Dokument.
Demzufolge standen Schleswig-Holstein und Hamburg nach 1945 vor enormen Herausforderungen. Während Schleswig-Holstein eine massive Flüchtlingszuwanderung bewältigen musste, versuchte Hamburg, den Zustrom einzuschränken. Die Integration der Vertriebenen prägte die Nachkriegszeit maßgeblich und hatte tiefgreifende soziale, politische und kirchliche Folgen. Die Geschichte der „Displaced Persons“ zeigt zudem, dass nicht alle Verfolgten des Krieges gleich behandelt wurden – viele standen in der Bundesrepublik weiterhin am Rand der Gesellschaft.